Shared Reading – Es klingt so schön, aber ich hab Bauchweh

Im Zuge der Recherchen für einen Artikel beschäftigte ich mich ein wenig mit der englischen Organisation The Reader. Sie wurde von Jane Davis gegründet, die auch das Prinzip des Shared Reading entwickelte. Ihr Ziel ist löblich: Einsamen, isolierten Menschen werden soziale Anknüpfungspunkte geboten – regelmäßig stattfindende Runden, bei denen gemeinsam reihum laut ein Buch, ein Text, ein Gedicht vorgelesen wird und über die unmittelbaren Eindrücke und Empfindungen gesprochen wird. Dabei erzählen die Menschen viel aus ihrem eigenen Leben, lernen neue Menschen und schöne Texte kennen.

Moderiert wird das von freiwilligen “Facilitators”, obwohl The Reader auch schon über hundert Angestellte hat. Angewendet wird die Methode auch in Kliniken, Schulen, Gefängnissen und … Firmen. Firmen. Hm. Für den besseren sozialen Zusammenhalt in Teams. Hm. The Reader arbeitet eng mit dem Centre for Research into Reading, Literature and Society der Universität Liverpool zusammen und Shared Reading (oder doch die regelmäßigen Sozialkontakte?) hat laut den erstellten wissenschaftlichen Studien sehr gute Auswirkungen auf geistige und körperliche Gesundheit.

Die Literarischen Unternehmungen, ein deutscher Ableger, haben sich im Herbst 2016 auf der Leipziger Buchmesse präsentiert und haben die Absicht, Shared Reading im deutschen Sprachraum zu verbreiten. So ganz klar kommt bei beiden Organisationen nicht heraus, wie es um das Verhältnis zwischen freiwilliger und bezahlter Arbeit steht, und da kriege ich ein wenig Bauchweh.

Denn einerseits: Gemeinsames Vorlesen! Sozialkontakte! Gesundheit! Bildung von Gemeinschaften! Yay! Das sind doch alles gute Dinge. Außerdem ist es ja gut, die Methode in Institutionen anzuwenden, in denen Menschen sich isoliert fühlen oder absichtlich isoliert werden, oder? Aber wenn ich so lese, wie Menschen sich freuen, dass sie im Altersheim, im Kinderheim oder im Gefängnis einmal in der Woche Zuspruch beim Shared Reading kriegen, klingt das nicht mehr so toll. Einmal in der Woche ist wohl besser als nie. Aber was ist mit dem Rest der Zeit, soll der einfach so weiterlaufen? Und sollten das nicht Menschen machen, die dafür bezahlt kriegen? Ein Blick rüber zur Bezahlung von Kindergärtner_innen, Pflegefachkräften, etc. zeigt schon, warum hier Freiwillige am Werk sind … spart noch mehr Geld ein, juhu. Irgendwann und irgendwo wurde noch die Frage gestellt, warum sich Menschen in solchen Institutionen isoliert fühlen oder isoliert werden. Ob solche Institutionen wirklich gut sind. Das mit der strukturellen Kritik und dem radikalen Umbau täte Not.

Das mit dem Shared Reading in Firmen, ja äh. Ich meine, super, ich will nämlich in der bezahlten Arbeit nicht zum Sporteln oder in komische Teambuildingseminare, aber fragen sich die Firmen mal, warum ihr Klima ihren Arbeitnehmer_innen nicht gut tut? Und ob das aufhört, nur weil alle jetzt zum Shared Reading müssen? Hach, jetzt muss ich lachen. Herzhaft. Aber dass Literatur zur Förderung von Kapitalismus verwurstet wird, ist ja auch nicht wirklich neu. Ich will’s nur angemerkt haben.

Schließlich: Wie sieht es in der lokalen Gemeinschaft aus? War da nicht was mit Kommunen und ihrer Aufgabe? Ist es etwa nicht Aufgabe der Kommunen, für das Wohlergehen ihrer Mitglieder zu Sorgen? Ihnen Räume zu bieten, in denen Gemeinschaft entstehen kann? In Zeiten zunehmenden Sozialabbaus wohl bisschen illusorisch, fürchte ich. Aber wenn es keine Gemeindezentren mehr gibt, in denen eine weite Bandbreite von Veranstaltungen für Menschen aller Altersgruppen stattfinden kann, wo sollen die denn dann hin?

De facto sind z.B. genau Bibliotheken eine Anlaufstelle für Menschen, die Sozialkontakte und weniger konsumorientierte Orte suchen. Ob sich die Bibliotheken dann aber auch für diese Menschen zuständig fühlen, also über die Ausleihe und Rückgabe von Medien und einen Schwatz hinaus, liegt im individuellen Ermessen – leider? Was, wenn es nur noch Ausleih- und Rückgabeautomaten gibt? Hätten dann Bibliothekar_innen nicht mehr Zeit für solche und ähnliche Veranstaltungen? Shared Reading wird von Therapie oder Sozialarbeit abgegrenzt, aber nur weil das da steht, heißt das nicht, dass es nicht Elemente von beidem hat und entwickeln wird und es für die moderierenden Personen sicherlich auch mit allen Regeln und Abgrenzungen intensive Beziehungen, die nicht alle eingehen werden wollen. In den USA haben manche Bibliotheken eigene Sozialarbeiter_innen und/oder Therapeut_innen angestellt, um ihre Besucher_innen zu begleiten.

Es ist ein bisschen schwierig. Gemeinsame Aktivitäten, ja bitte. Mehr. Und Platz dafür. Räume. Geld für Essen und Material. Menschen, die für ihre Arbeit bezahlt werden, ja doch. Freiwilligenarbeit ist toll, aber können sich nicht alle leisten und wenn sie bezahlte Arbeitsplätze ersetzt, ist sie abzulehnen. Ohne die Strukturen und Institutionen in unserer Gesellschaft zu verändern, die zur Vereinsamung und Isolation von Menschen führen, ist genau hinzusehen, ob gemeinsames Vorlesen eine Strategie unter vielen ist – oder doch nur ein neoliberales Pflaster.

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Von Tieren und vom Teilen: Mehr … immer mehr!

Was für ein Problem könnte ich mit Bilderbüchern mit Tieren haben? Tiere sind doch großartig? Ja. Aber die beliebtesten Bilderbuchtiere sind der Bär, der Fuchs, der Hase, der Wolf, der Hund, der Affe, der Elefant, der Tiger, der Löwe, der Esel, der Igel … merkt ihr was? Gut, es gibt die Katze, aber oft ist das dann doch ein Kater, genauso bei der Maus, die dann doch oft ein Mäuserich ist. Das Pferd, das Meerschwein, das Nilpferd, das Zebra, das Eichhörnchen gibt es auch, aber lange nicht so oft. Daher schaue ich auch bei Tierbüchern darauf, dass ich Bücher mit Tieren erwische, die einen weiblichen Artikel haben bzw. weibliche Hauptfiguren.

Mehr immer mehr I C SpringmanEines meiner Lieblingsbücher ist dabei “Mehr … immer mehr!” von der Autorin I.C. Springman mit Illustrationen von Brian Lies, auf Deutsch erschienen im Verlag annette betz. Darin geht es um eine Elster, die mit einer Maus befreundet ist. Am Anfang des Buches hat die Elster außer ihrem Nest nichts, also schenkt ihr die Maus eine Murmel. Nun hat die Elster etwas. Zufällig findet sie weitere Gegenstände – einen roten Legostein, eine Schillingmünze – und an dieser Stelle hatte mich das Buch. Ich wünsche mir keine Rückkehr zum Schilling und finde auch die Münze nicht besonders schön (die mit den Edelweiß ist es), aber es war trotzdem irgendwie ein starkes Gefühl, sie nach mittlerweile 15 Jahren in einem Kinderbuch wiederzusehen.

Die Elster hat nun einiges, aber sie beginnt mehr und mehr und immer mehr Gegenstände zu sammeln. Dadurch wird das Buch immer mehr zum Wimmelbuch, allerdings ohne erklärende Texte. Der Text bleibt ganz sparsam und beschreibt immer nur, wieviel die Elster nun hat. Sie baut neue Nester, um ihre Sammlung unterzubringen und schließlich hat sie zu viel – die Äste des Baumes biegen sich unter der Last. Die vielen Gegenstände sind dabei so schön gezeichnet, dass alle elsterhaften Menschen, wie z.B. ich selbst, sofort etliches davon an sich raffen möchten. Schließlich reicht es der Maus – “Genug!” schreit sie und der Ast auf dem sich Elster und Maus unterhielten bricht.

Die Elster liegt unter ihrer Sammlung begraben. Die Maus ruft um Hilfe und sie und viele andere Mäuse tragen die Sammlung gemeinsam weg, bis die Elster wieder zum Vorschein kommt. Alles wird verschenkt, auch an ein Eichhörnchen, bis schließlich die Elster und die Maus je ein Stück haben – die Murmel von ganz am Anfang und eine Schachfigur. “Genug?” fragt das Buch. “Ja, genug.”

In meinen Elsterfingern kribbelt es und das Buch provoziert mich manchmal ein wenig – sind Sammlungen so verwerflich? Trotzdem ist es ein gutes Buch um zu diskutieren, wieviel wir eigentlich brauchen und ob Teilen nicht besser wäre. Durch die Masse an Gegenständen und den sparsamen Text ist es ein Buch zum Ansehen und viel dazu reden. Kinder können die Zeichnungen genau betrachten, Gegenstände suchen und sich z.B. darüber unterhalten, welchen sie sich aussuchen würden. Ich habe es schon in einer kleinen Gruppe vorgelesen, ich würde ab ca. 4 Jahren bis ca. 6 Jahre einschätzen, danach ist es immer noch schön zum zu zweit oder alleine betrachten.

Gegensätzliches Nilpferd

Beim letzten Vorlesen in Liesing fand ich dort bei den englischen Büchern eines für 2-4jährige, das mich sehr beeindruckt und belustigt hat: Hippoposites von der französischen Grafikerin, Illustratorin und Autorin Janik Coat, im französischen Original “Mon Hippopotame”. Auf Deutsch heißt es “Mein Hippo kann alles”, was mir ein wenig Bauchschmerzen verursacht. Ich werde versuchen, die deutsche Version ebenfalls anzuschauen und dann die Buchempfehlung ergänzen.

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Hippoposites ist auf Karton gedruckt, hat 38 Seiten und zeigt Illustrationen von Gegensätzen, die grafisch aufbereitet werden, immer anhand eines Nilpferds, das anscheinend Popov heißt. Im Buch selbst hat es keinen Namen. Was mich daran so fasziniert und gefreut hat – die Gegensätze werden nicht klischeehaft sondern entgegen der Klischees dargestellt, hier zum Beispiel “dünn” und “dick”. Für “leicht” befindet sich das Nilpferd im Korb eines Heißluftballons, für “schwer” blubbert es unter Wasser (auch wenn das nicht ganz stimmt, Nilpferde können ja schwimmen und tauchen und gehen nicht einfach unter, aber ok).

thin/thick page from Hippoposites by Janik Coat

Oder hier positiv und negativ. Ähnlich ist es bei “voll” und “leer”, wo auch die Form des Nilpferds mit Farbe gefüllt ist – für “voll” – und eine weiße Leerstelle, die noch dazu aus der obersten Schicht Karton ausgeschnitten ist – für “leer”.

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Hier noch ein Beispiel für gepunktet und gestreift:

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Ich finde es ausgesprochen charmant und schön, aber für kleine Kinder ist es zum Teil anspruchsvoll, wie auch Sigrid Tinz in ihrer Kritik moniert. Anscheinend wird/könnte Kindern dabei fad werden? Mangels Test am lebenden Objekt würde ich sagen: Kommt auf die begleitende Erzählung an.

Manche Gegensätze sind unmittelbar begreifbar, andere brauchen eine Erklärung und vielleicht noch begleitende Beispiele, damit ganz klar wird, was ein Wort bedeutet, aber ich finde das gut.Es gibt eine Menge Kartonbücher, die weit weniger Interaktion erfordern und einfachere Konzepte vermitteln.

Janik Coat hat noch andere Bücher veröffentlicht, von denen ich zumindest “Ich bin nicht wie die anderen” schon schnell durchgeblättert und auch sehr nett gefunden habe (ja, es gibt auch weibliche Tiere darin, die hat der Knesebeck Verlag in der Beschreibung ausgelassen). Und ihr Tier-ABC ist reizend, wenn es auch nur auf Französisch funktioniert.

Es gibt Regeln für den Sommer?

Die Regeln des Sommers von Shaun Tan mit Katze“Die Regeln des Sommers” von Shaun Tan, einem chinesisch-australischen Autor, Illustrator, Filmemacher, Comiczeichner, übersetzt von Eike Schönfeld und im Verlag Aladin erschienen, ist quasi ein “Ausnahmebuch”, das meinen hier aufgeführten Kriterien nicht ganz entspricht, da die Hauptfiguren männlich* lesbar sind, auch wenn sie nicht weiß sind. Aber es passt zur Situation der Niblinge, spezifisch für Nibling2 und deshalb verschenke ich es auch – und es ist ein faszinierendes Buch, darum stelle ich es vor.

Als ich es zum ersten Mal las, blätterte ich nicht bis zum Ende durch und nahm an, dass die Regeln des Sommers relativ zufällig und ohne Zusammenhang aufgestellt wurden. Beim zweiten Lesen kam ich dann bis zum Schluss und begriff, dass es doch eine Geschichte gibt, aber der Anfang erschien mir nicht mit dem Ende verknüpft. Erst beim dritten Lesen – diesmal ohne Zeitdruck – begriff ich die Geschichte endlich: Es geht um Geschwister.

Die erste Hälfte wird aus der Perspektive des jüngeren Kindes erzählt, die zweite aus der des älteren. Das ältere Kind ist es, das die Regeln des Sommers aufstellt – meistens zu spät, als dass sie das jüngere Kind befolgen könnte. Daraus ergeben sich Konsequenzen, manchmal kleinere, manchmal größere. Konkret z.B. fangen die Kinder auf dem Dach Leuchtwesen mit Netzen, das Glas des jüngeren Kindes fällt runter – die Regel lautet: Nie dein Glas runterfallen lassen. Oder auf einer Party mit lauter Gestalten, die Falkenköpfe haben hält das ältere Kind das jüngere davon ab, die letzte Olive zu essen – die Regel lautet: “Nie auf einer Party die letzte Olive essen”. Oder das ältere Kind verweigert dem jüngeren den Zutritt zu einem ummauerten Garten: “Nie das Passwort vergessen.”

Beim genauen Lesen als Erwachsene, die selbst ein älteres Geschwister war, zeigen sich mir alle Aspekte der Geschwisterbeziehung: Dieses zwischen Beschützen wollen, sich kümmern müssen, Arbeit aufgehalst kriegen, Ausschlüssen, Macht, ruinierten Plänen und ausgelösten Katastrophen changierende – bis die Situation kippt. Es kommt zum Streit, der auch physisch stattfindet – und zum Verrat. Das ältere Kind verkauft das jüngere an die Krähen, die es in eine unheimliche Lokomotive sperren, die immer weiter aus der Stadt fährt und fast im Dunkeln verschwindet.

Die Perspektive wechselt und das ältere Kind übernimmt die Erzählung. Die erste Regel nach ein paar Seiten ohne Text lautet nun “Immer einen Bolzenschneider mitführen” – das jüngere Kind wird vom älteren gerettet. Die letzte Regel lautet dann: “Nie den letzten Sommertag verpassen” und das Buch endet bei Popcorn und trauter Harmonie vor dem Fernseher.

Es ist also trotz des spärlichen Texts kein Bilderbuch für kleine Kinder. Dafür ist es viel zu unheimlich und die Szenarien und Bilder sind zum Teil sehr bedrohlich und trotz der magischen Komponente zum Teil zu real, z.B. in einem Bild wird das Treten auf eine Schnecke mit dem Auslösen eines Tornados verknüpft. Aber die Bilder – jedes davon ist ein eigenes Gemälde – sind unheimlich schön und über die Geschichte, die Situationen und die Beziehung zwischen den Kindern lässt sich viel nachdenken und reden. Auf seiner Website hat Shaun Tan ausführliche Kommentare zu den einzelnen Bildern geschrieben, die sehr lesenswert sind (auf der Seite von “Rules of Summer” nach unten scrollen).

Ich habe das Buch einer Klasse von 10jährigen vorgelesen, die sich rege mit Fragen beteiligt haben, aber ein so richtiges Vorlesebuch für große Gruppen ist es nicht, eher für gemeinsames Anschauen zu zweit ab ca. 8 Jahren oder ganz alleine.

Waschanleitung für Wollmammuts

Wie man ein Wollmammut wäscht von Michelle Robinson und Kate Hindley mit KatzeEines der Bücher, das ich erst vor Kurzem, aber begeistert, in mein Vorleserepertoire aufgenommen habe, ist “Wie man ein Wollmammut wäscht” von Michelle Robinson und Kate Hindley, übersetzt von Andreas Steinhöfel, erschienen 2015 im Verlag Gerstenberg. Es gefällt mir tatsächlich so gut, dass ich es auch Nibling2 weiterschenke.

Das Buch enthält Schritt für Schritt eine Anleitung, wie ein Hauswollmammut zu waschen ist und zeigt die Auswirkungen der Schritte in den Illustrationen. Das Thema des Buches kann als “ein großes Projekt angehen” zusammengefasst werden, wie Sue Heavenrich in ihrem Blogpost darüber schreibt, in dem sie auch Ideen für weiterführende Aktivitäten aufführt.

Es zeigt sich aber schon beim ersten Schritt der Anleitung – “Befülle die Badewanne.” – dass nie alles nach Plan verläuft, denn: “Falls dein Mammut gerade Durst hat, könnte das eine Weile dauern.” Verschiedene Ansätze, wie das Mammut in die Wanne zu kriegen ist, werden gezeigt, dann beginnt das Badevergnügen.

Als aber Shampoo in die Augen des Mammuts kommt, rennt es davon und klettert auf einen Baum und so bietet dann der 8. Schritt eine Anleitung, wie ein Wollmammut vom Baum zu kriegen ist, nämlich mit einem stabilen Trampolin. Das Mammut springt daneben, landet im Gatsch und danach braucht auch das Kind ein Bad, also gehen sie gemeinsam in die Wanne. Kooperation statt Badezwang bringt dann endlich Frieden in die Wanne – und danach wird gekuschelt. Diese Botschaft gefällt mir auch besonders an dem Buch. Ich finde, es regt auch zum eigenen Badespaß und zum Nachdenken über den Umgang mit Haustieren (bitte nicht baden) an.

So wie die Anleitung selbst beginnen auch die Illustrationen recht technisch, mit Diagrammen und Abb.1, 2, 3 usw., doch je dynamischer die Handlung wird, desto dynamischer werden auch die Bilder. Der Fokus liegt dabei auf Kind und Wollmammut, mit einigen netten Details am Rande, aber nicht so viele, dass von der Handlung abgelenkt wird.

Das Kind ist durch Wimpern und ca. schulterlange Haare als Mädchen lesbar, hat aber keinen Namen und ist ansonsten mit Regenjacke, Jeans und Gummistiefeln ausgerüstet. Bei der Szene, in der das Kind versucht, das Mammut in die Wanne zu kriegen, nimmt es eine Monstermaske (auch mit Wimpern <3), ein Skateboard und einen Schwerlastkran zu Hilfe, es gelingt dann schließlich mit Törtchen.

Wenn ich etwas auszusetzen habe, dann an der Sprache. Leider gibt es zwei Stellen im generischen Maskulinum, die sehr einfach hätten vermieden werden können, z.B. im Titel “du” statt “man”, ansonsten wird die_der Leser_in direkt mit “du” angesprochen. In der Szene in der der “Dickwanst” des Mammuts gewaschen wird und zur Vorsicht wegen Kitzeligkeit aufgerufen wird, hätte ich mir “dicker Bauch” gewünscht und so ersetze ich das auch, wenn ich vorlese.

Durch die Kürze und die plakativen Bilder eignet sich das Buch sehr gut zum Vorlesen für Kindergruppen bis 9-10 Jahre bzw. bei weniger Kindern bis 6-7 Jahre würde ich sagen, bzw. natürlich zum selbst Lesen lernen/üben sehr gut. Aber haltet Infos über Permaforst und das Klonen von Mammuts bereit, falls Fragen kommen, wie denn ein Wollmammut als Haustier überhaupt möglich wäre.

Zweisprachig Vorlesen

Das Blog ist tot, lang lebe das Blog! \o/ Aber Buchempfehlungen gehören nun mal ins Buchblog, also geht es nach einem Besuch bei Frau Dr. Frankenstein wieder los.

Ich lese seit bereits 2 Jahren regelmäßig ehrenamtlich in Zweigstellen der Büchereien Wien zweisprachig vor und zwar Bücher, die meinen Vorstellungen entsprechen, also solche mit vorwiegend weiblichen oder nicht eindeutig as weiblich oder männlich lesbaren Hauptfiguren, am besten mit Kindern of Color, außerdem sollen die Geschichten möglichst keinen Rassismus, Sexismus, Cissexismus, Heterosexismus, Klassismus, Ableismus und keine Dickenfeindlichkeit enthalten. Und die Geschichten und Illustrationen sollen gut sein (aber das ist subjektiv). Das perfekte Buch gibt es natürlich leider selten.

Die zweisprachige Geschichtenzeit der Büchereien Wien gibt es in vielen Sprachen, Türkisch, Arabisch, Chinesisch, Russisch, Französisch, etc., meistens finden die Vorlesestunden zwischen 16 und 17 Uhr statt. Früher habe ich noch öfter Schweizerdeutsch und Deutsch vorgelesen, jetzt ist aber vor allem Englisch und Deutsch gefragt. Ich kann wirklich gut Englisch, aber oft komme ich mir vor wie eine Simultanübersetzerin und ab und zu entfällt mir schon mal ein Wort, besonders wenn ich das Buch nicht kenne. Aber das macht nichts.

Ich bringe zwar zum Vorlesen oft eigene Bücher mit, aber da ich zwei Zweigstellen bevorzugt besuche, durchforste ich auch ihre Bestände bzw. die der Hauptbücherei nach Büchern, die ich vorlesen kann. Es wird ja sonst langweilig für die Kinder, die die Bücher schon kennen und ich kann nicht so viele Bücher kaufen. Da dann auch die Auswahl an englischen Kinderbüchern, die in meine Kriterien passen, schnell zu klein wird, nehme ich auch oft Bücher, die aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurden und übersetze sie zurück.

Die Kinder sind allgemein sehr geduldig – ich bin immer wieder erstaunt, wie gut sie aufpassen, wie gespannt sie lauschen, welche Fragen sie stellen – und wünsche mir manchmal, ich hätte mehr Zeit bzw. ein großes Tablet, an dem ich manche Sachen nachher besser erklären kann, wie z.B. Permafrost und das Klonen von Mammuts. Manche Kinder lesen auch mit – ein wenig schwieriger, wenn das Buch auf Englisch ist – und bei einer Vorleserunde lasen sogar die Kinder einander und mir gegenseitig vor und stritten sich darum, welches Kind jetzt dran war. Dabei zu beobachten, wie sie lernten, ihren Tonfall bei Satzzeichen richtig anzupassen war eines meiner schönsten Vorleseerlebnisse. Sehr schön ist für mich auch, wenn sie englische Worte wiedererkennen und sie wiederholen, wenn sie die Bücher nachher ausleihen und am schönsten ist es natürlich, wenn ihnen die Geschichte offenkundig Spaß macht.

Das Alter der Kinder, denen ich vorlese, ist ziemlich unterschiedlich. An einer Zweigstelle sind sie zwischen 3 und höchstens 7, also brauche ich dort Bücher mit wenig Text, vielen erklärenden Bildern und trotzdem Geschichten, die auch noch 7jährige interessieren. In der anderen Zweigstelle sind die Kinder schon etwas älter, bis ca. 9-10, aber all zu lange Texte werden trotzdem fad, schließlich lese ich sie zuerst in der einen Sprache, dann in der anderen vor. Manchmal hören auch erwachsene Bezugspersonen der Kinder zu – je kleiner die Kinder, desto mehr Erwachsene im Publikum.

Welche Bücher klappen und welche nicht, merke ich an der Reaktion der Kinder – wenn sie wegschauen, sich unterhalten, wegwandern, dann ist ihnen langweilig. Mir macht das nichts aus, ich finde es nur spannend und wegwandern dürfen sie immer. Es liegt auch nicht immer am Buch – meine Vorlesezeit dauert offiziell eine Stunde und das ist sehr lange für Kinder, egal welches Alter sie haben.

Zur Frage: Aber was ist mit Buben, wie bringen wir die zum Lesen, die lesen ja keine “Mädchenbücher” bitte diesen Artikel von Tricia Lowther auf Let Toys be Toys lesen (tl;dr: die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse ist ein viel stärkerer Indikator dafür ob ein Kind gerne liest oder nicht) – weiteres Material findet sich am Ende des Artikels. Manchmal lese ich aus Notwendigkeit (keine anderen Bücher gefunden) auch Bücher mit männlichen Hauptfiguren vor. In den Gruppen, denen ich vorlese, sind als Buben bzw. als Mädchen lesbare Kinder gleichermaßen vertreten und sie hören allen Geschichten gleichermaßen zu (wenn sie gut sind), ob jetzt ein Bub die Hauptfigur ist oder ein Mädchen. In ihrem restlichen Medienkonsum sind aber weiße, heterosexuelle, cis-männliche Figuren so dominant vertreten bzw. werden es sein, dass sich kein Mensch Sorgen machen muss, sie kämen zu kurz.

Die Bücher, die mir am meisten gefallen, schenke ich dann auch meinen Niblingen – und manchmal schenke ich ihnen Bücher, die ich aus verschiedenen Gründen nicht vorlese, denn wie gesagt, nicht jedes Buch eignet sich dazu, Gruppen von Kindern vorgelesen zu werden. Ich werde hier trotzdem ein paar davon vorstellen.

Usability, Service und andere bibliotheksfremde Begriffe

Ich musste kürzlich zu einer LV über Usability bei einer Gruppenarbeit einige Leute dabei filmen, beobachten, und anschließend interviewen, wie sie auf einer Webseite vier Aufgaben lösen.

Meine beiden KandidatInnen hätten unterschiedlicher nicht sein können: ein Informatiker Anfang dreißig und eine Nicht-Technikerin um die 60. Die weibliche Testperson ist aber nicht technophob – Sie hat einen Kindle, nutzt ihr iPad gerne und viel, hat ein iPhone, macht am Computer Fotobücher, die sie dann online bestellt, emailt, facebookt, whatsappt.

Die Probleme die beim Test auftraten waren einander ähnlich und die meisten Testpersonen sind über die selben Hürden gestolpert. Mich haben die Untschiede in der Reaktion, die die Testpersonen auf diese Probleme hatten, überrascht. Wenn etwas nicht funktioniert hat, war bei ihm die grottig gemachte Webseite Schuld und bei ihr lag es eindeutig daran, dass sie sich mit dem Internet nicht gut genug auskennt.

An diese Usability-Tests denke ich jetzt jedesmal, wenn ich eine Webseite benutzen muss, die ich viel zu umständlich finde. Heute musste ich mich zum Beispiel bei den Wiener Linien registrieren, die Registrierung per geemailtem Link bestätigen, mich dann einloggen, dann den richtigen Menüpunkt finden, unter dem dann der Menüpunkt “Foto hochladen” zu finden war, damit ich dort ein Foto hinaufladen konnte und von dem Foto einen Bildausschnitt festlegen. In dem per Post zugesandtem Folder stand nichts von der Größenbeschränkung bzw maximalen Auflösung des Bildes, das durfte ich mittels Fehlermeldung herausfinden. Die war wengistens gut lesbar und an der richtigen Stelle.

Immer wenn ich solche umständlichen Dinge tun muss, denke ich daran, dass die Webseite wohl von jemandem designt und programmiert wurde, der eher meine erste Testperson im Kopf hatte, als die zweite.

Und was ich außerdem ganz stark befürchte: Dass sich niemand dieser DesignerInnen/ProgrammiererInnen überhaupt die Mühe gemacht haben, fünf verschiedene Personen mit ein paar typischen Aufgabenstellungen vor einen Rechner zu setzen und zu beobachten und dann Konsequenzen aus den Beobachtungen zu ziehen.

Und das merkt man. Die meisten Seiten sehen mittlerweile nett aus, haben die abgerundeten Ecken, die Farbschemen und Buttons, die man von einer modernen Seite erwartet. Aber die Usability lässt oft sehr zu wünschen übrig. Das fällt besonders im Vergleich mit Seiten auf, wo keine öffentlichen Einrichtungen oder andere riesigen Bürokratien dahinterstecken.

Mein aktuelles Beispiel: Für einen Vortrag nächste Woche aktualisiere ich gerade meine Infos zu Streaming-Diensten. Also habe ich mich bei netflix für ein Probemonat registriert (Was tut man nicht alles für die Arbeit ;-)) . Ich musste Emailadresse eingeben, Passwort ausdenken, eines von drei möglichen Modellen wählen und meine Kreditkartendaten angeben. Fertig. Ich kann jetzt ein Monat lang kostenlos am Tablet und im Browser so viele Filme und Serien schauen, wie ich will. Später dann um 8€ pro Monat, weniger als die momentane Rundfunkgebühr für Wien

Nach der Registrierung kommt man zu einer Seite wo man aufgefodert wird, drei Filme/Serien auszuwählen, die gefallen haben, damit Filme vorgeschlagen werden können. Wenn man dann einen anklickt, kann man bewerten, angeben, dass er nicht interessiert oder abspielen. Außerdem gibt es ein Suchfeld und man kann nach Kategorien browsen.

Was mir sofort positiv aufgefallen ist:

  • Sehr, sehr wenig Text. Kein “Willkommen bei…” “Hier können Sie …” – das liest eh niemand
  • große, gut erkennbare Coverbilder – da stehen eh alle erstmals relevanten Infos drauf!
  • sofort personalisiert aufgrund von sehr wenigen Angaben von mir und nach Popularität sortiert
  • sinnvolle Sortieroptionen (Release Datum und nicht Datum der Titelaufnahme!)
  • man muss nichts installieren damit es funktioniert
  • es gibt eine App für Tablets, die genauso einfach zu bedienen ist. Die Webseite weiß, was ich in der App gemacht habe und umgekehrt
  • man kann verschiedene NutzerInnen definieren, um getrennte Empfehlungen zu erhalten. Es ist einfach, dass alle Personen in meinem Haushalt den Service nutzen ohne sich in die Quere zu kommen.
  • netflix schafft es, Themen und Zielgruppen nicht zu vermischen (Okay, das ist ein Pet Peeve von mir, aber Kinder, Jugendliche, Belletristik und Musik gehörten nicht in eine Aufzählung – da werden Zielgruppe, Thema und Medienart vermischt. Facetten, Leute. FACETTEN!)

Vereinfacht gesagt: Man merkt an der jeweiligen Webseite: die Wiener Linien brauche ich, aber netflix will ich.

Mit dieser Ausgangssituation habe ich es schwer, zukünftigen BibliothekarInnen etwas über “AV-Medien” zu erzählen. (Ja, der Begriff kommt noch immer im Lehrveranstaltungstitel vor)

Nennt mich pessimistisch, aber ich rechne mir keine besonders guten Chancen für die DVD-Abteilungen der Bibliotheken aus, wenn Film- und Serien-Streaming immer günstiger und einfacher zu bedienen wird und man dafür nichtmal außer Haus gehen muss (eventuell ein Faktor den ich im Jänner bei -4°C überbewerte). Ich glaube dass der Faktor “NutzerInnen sollen sich bei der Bedienung nicht unzulänglich fühlen” von Bibliotheken unterschätzt wird.

Ich kontaktiere gerade BibliothekarInnen, die ich kenne, um Zahlen zu kriegen, die meine Theorie bestätigen oder eben auch nicht. Wenn wer Zahlen posten oder mir senden kann, nur zu!

(Edited for typos)

Kaufen, kaufen, kaufen Sie!

Seit ein paar Wochen wird über den Kaufbutton diskutiert (z.B. auf bibliothekarisch.de), den einige Onleihen testweise eingeführt haben. Vieles ist schon gesagt worden, aber hier sind noch ein Paar Fragen, die ich habe, bzw. Punkte, die mir unklar sind.

  • Für wieviel Prozent Beteiligung verkaufen die teilnehmenden Bibliotheken ihre Seelen? Wer legt diesen Prozentsatz fest? Händler oder Verlag?
  • Erhalten die Bibliotheken nur einen Prozentsatz von dem konkreten eBook, dass angeklickt wurde oder von allen Produkten die in der “Session” von der Kundin im Webshop gekauft werden? (Vgl. Amazon Affiliate Programm)
  • Wie lange wird die “Testphase” dauern, bei der nur der ekz Shop eingebunden werden kann. Und ist dieser Zeitrahmen ungefähr so verlässlich, wie zum Beispiel das Android Streaming?
  • Wie erklärt man BibliotheksnutzerInnen, dass Hörbücher auf dem verlinkten Webshop als MP3 heruntergeladen werden können, aber in der Onleihe nicht
  • Gibt es auch ebooks im Shop, die man als Onleihe nicht lizensieren kann? Spätestens wenn die Pilotphase abgeschlossen ist und beliebige Buchhändler eingebunden werden können, wird das wohl der Fall sein. Das finde ich BibliotheksnutzerInnen noch schwieriger zu erläutern als das Format Problem.
  • Ist sofortwelten.de wirklich, wirklich das beste, das ekz eingefallen ist? Wirklich jetzt? “Sofort” als Verkaufsargument für einen Online Shop erscheint mir echt nicht besonders neu, spannend oder einfach merkbar. Schlimmer wäre nur noch vonzuhauseeinkaufen.de.
  • Werden die Zahlen, wieviel eingenommen wurde und mit welchen /wievielen Titeln eigentlich veröffentlicht? Ich bin gespannt auf die Jahresberichte der Pilotbibliotheken.
  • Finde das nur ich eigenartig, dass jedes Projekt auf diversen Konferenzen präsentiert wird und so ein großer Schritt in keinem Fachmedium angekündigt oder diskutiert wird?
  • Gibt es diese Information für Onleihe-Kundinnen eigentlich (Ich bin derzeit in keiner Bibliothek tätig)? Oder sind das geheime Geheiminformationen? Ich fände ja Transparenz bei öffentlichen Einrichtungen begrüßenswert.

Heute habe ich einen Leihmodell-Vergleich gelesen, bei dem Onleihe, Readfy und Skoobe getestet werden und Skoobe am besten bewertet wird, sowohl was Auswahl als auch Verfügbarkeit betrifft. Außerdem hat Amazon heute ihr Flatrate Kindle Unlimited für Deutschland angekündigt.

Und das bemerkenswerteste, das die Onleihe in den letzten Monaten hervorgebracht hat, ist eine Möglichkeit, nicht nur an Bibliotheken Geld zu verdienen, sondern auch an den EndkundInnen.

Oh, bevor ich es vergesse: Nachdem voriges Jahr bei Adobe ein paar Millionen E-Mailadressen und Passwörter geleakt wurden, u.a. wegen schlechter Security Praxis, hat heute jemand gepostet, dass die neue Version von Adobe Digital Editions im großen Stil nachhause telefoniert. Das wird zwar gerne mit “wen überrascht’s?” kommentiert, aber das Ausmaß mit dem Daten unverschlüsselt gesendet werden, auch von Büchern die nicht in ADE hineingeladen werden ist erschütternd.

Zusammenfassend gesagt: Es ist fraglich, ob das Geschäftsmodell der Onleihe auf längere Zeit hält. Die Konkurrenz ist groß und neue, innovative Ansätze sind nicht zu erwarten. Und jetzt gibt es Bibliotheken, die ihre NutzerInnen auch noch einreden möchten, es ist eine gute Idee, nicht auf die eBooks zu warten, sondern sie zu kaufen (wobei das strenggenommen ja kein Kauf ist sondern der Erwerb von beschränkten Nutzungsrechten).

#teamharpy und Konversationen, die wir nicht führen

Makerspaces. 3D-Drucker. Die papierlose Bibliothek. Bibliotheksgemeinschaftsgärten, Ausleihe von Werkzeug, Backformen, Lesebrillen. Barcamps. Informationskompetenz. Ach, Nordamerika, deine Bibliotheken, deine Ideen! Was schauen wir Bibliothekar_innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz uns da nicht gerne ab (bzw. kritisieren diese Entwicklungen und Ideen herzlich gerne, weil nur weil’s aus den USA kommt muss es noch lang nicht gut sein etc. etc. etc.). In einem Punkt schauen wir uns leider sehr wenig ab und das ist die in Nordamerika, also USA und Kanada geführte Debatte über Diversität und soziale Bewegungen im Bibliotheksbereich. Soll heißen, wir thematisieren herzlich wenig Themen wie sexuelle Belästigung, sexistische, rassistische, ableistische, heterosexistische, cissexistische Diskriminierung im Bibliotheksbereich, also zumindest offiziell.

Letztes Jahr legte die American Library Association (ALA) mit ihrem “Statement of Appropriate Conduct at ALA Conferences” fest, welche Verhaltensweisen auf ihren Konferenzen nicht erwünscht sind. Echo im DACH-Bereich? Suche ich “ALA Code of Conduct” bzw. “Statement of Appropriate Conduct” bzw. “ALA Verhaltensregeln” auf einer der recht wichtigen deutschen Bibliotheksmailinglisten, inetbib.de, finde ich … nichts. Dito auf einigen der beliebtesten deutschsprachigen Bibliotheksblogs. Oh, hey, ich habe zwei Erwähnungen gefunden! (Allerdings habe ich auch nichts darüber geschrieben … sollte ich.)

Sexuelle Belästigung auf Konferenzen (und allgemein) ist also ein Thema, das in der nordamerikanischen Bibliosphäre diskutiert wurde und wird. Im Frühling dieses Jahres nannten zwei Bibliothekarinnen*, Lisa Rabey (die den gerade verlinkten Blogpost verfasste) und nina de jesus auf Twitter respektive auf ihrem ausgezeichneten Blog einen Mann beim Namen – Joe Murphy -, der laut ihren Berichten Bibliothekarinnen* auf Konferenzen sexuell belästigt hatte. Dieser Mann hat sie nun verklagt, auf 1,25 Millionen Dollar, da er befindet, sie hätten seinen persönlichen und beruflichen Ruf beschädigt. Nachzulesen ist alles auf dem Blog #teamharpy – unter diesem Hashtag findet auf Twitter auch die Diskussion statt. Reaktionen auf die Klage werden ebenfalls auf dem #teamharpy-Blog gesammelt.

Um ein paar Einwände gleich vorwegzunehmen:

Wer ihren Ton nicht für richtig befindet, bitte “tone policing” oder “tone argument” googlen oder auf Rumbaumeln oder Derailing for Dummies nachlesen.

Nein, sie waren nicht persönlich betroffen, aber sie haben Beweise. Es gab und gibt einen Aufruf an Zeug_innen, sich zu melden, wobei sowohl Lisa Rabey als auch nina de jesus Verständnis für die Zeug_innen haben, die sich nicht melden, da sie wissen, dass es dafür gute Gründe gibt.

Wer meint, die betroffenen Personen hätten sich zuerst an die angemessenen Stellen bzw. Autoritätspersonen wenden sollen: Haben sie. Tun sie. Leider kam bzw. kommt dabei allzu oft nichts heraus bzw. gibt es den ALA Code of Conduct eben erst seit letztem November. Davor gab es bei der ALA keine Stelle, wo diese Übergriffe gemeldet werden konnten.

Und jetzt ist da diese Klage gegen zwei Frauen*, die es gewagt haben, klare Worte auszusprechen. Sie sollen mundtot gemacht werden. Ob sich von nun an eine direkt betroffene Person zu Wort melden wird, wenn sie weiß, dass ihr im Zweifel eine Millionenklage ins Haus steht? Das ist das gefährliche an dieser Klage: Sie schafft ein Klima, in dem das Auf- und Anzeigen von Übergriffen erschwert wird und damit ein Klima, in dem Bibliothekarinnen* nicht unbeschwert ihrer Arbeit nachgehen können. Ich finde das äußerst bedenklich und hoffe, dass Joe Murphy es sich anders überlegt und die Klage fallen lässt und sein Verhalten reflektiert. Durch den aus der Klage entstandenen Streisand-Effekt hat er sich wohl selbst am meisten ins Aus manövriert.

Falls ihr #teamharpy unterstützen möchtet, könnt ihr hier eine Petition unterschreiben, die Joe Murphy dazu auffordert, die Klage fallen zu lassen. Oder ihr könnt für #teamharpy spenden, denn die beiden haben nicht sehr viel Geld. Das ist ein weiterer gefährlicher Aspekt dieser Klage: Ausdauernd wehren können sich nur die Reichen.

Und dann können wir vielleicht einmal beginnen darüber zu reden, warum offizielle Verhaltensregeln auf Konferenzen eine gute Idee sind, selbst wenn wir alle lieber glauben, hier in DACH bräuchten wir das nicht.

So, jetzt ist sie vorbei – die Sommerpause

Dem Wetter nach ist der Sommer natürlich schon länger vorbei. Es steht eine Zeit fieberhafter Aktivität bevor, die eigentlich auf dem Blog landen sollte. Ein kurzer Ausblick:

Dieses Wochenende halten Ulli Koch und ich einen Vortrag auf dem Daten.Netz.Politik-Kongress #dnp14 über unsere Idee eines queer_feministischen Metaarchivs. Die Blogserie sollten wir auch fortsetzen, wir waren aber bisher damit beschäftigt, darüber einen wissenschaftlichen Artikel zu schreiben, der in Bälde erscheinen soll.

Nächstes Wochenende geht’s zum diesjährigen Bibcamp nach Potsdam, auf das ich schon sehr gespannt bin. Ich würde ja gerne eine Session halten, aber kann mich noch nicht ganz für das Thema entscheiden – mal sehen was passiert, wenn ich dort bin.

Gestern und heute früh war das große Thema in der Bibliotheks-Twitterbubble der Pilotversuch der Onleihe, einem der Anbieter von E-books für Bibliotheken. In drei Bibliotheken sollen ab jetzt die zur Ausleihe gedachten E-books auch käuflich erwerbbar sein, per Button im Bibliothekskatalog. Kritische Worte dazu finden Dörte Böhner auf bibliothekarisch.de und DonBib auf Ultrabiblioteka. Ich teile ihre Ansicht und bin sehr verwundert – da läuft jetzt etwas sehr rapide ab, von dem ich dachte, dass es in der deutschsprachigen Bibliothekswelt nie geschehen würde, gerade weil es starke Gegenargumente und große Vorbehalte gibt. (Mal abgesehen davon, dass die künstliche Verknappung von digitalen Dateien … na egal.) Ich wette, das wird ein großes Thema beim Bibcamp.

Tja und in meinem Kopf warten Blogposts. Manche haben es sogar auf Papier geschafft … aber das heißt noch lange nicht, dass sie es dann vom Papier ins Internet schaffen. Ich werde mich bemühen! Zumindest steht ja nächste Woche eine lange Zugfahrt bevor, da könnte ja was entstehen …